Kleine Muskeln
In mancherlei Hinsicht ist Jin ganz anders als ich. An ihrem Gesicht kann man immer ablesen, was sie gerade fühlt. Wenn sie wütend oder empört ist, verengen sich ihre Augen und die Nasenflügel zittern. Wenn sie Mitleid hat, ziehen sich die Augenbrauen zusammen und ihre Lippen schieben sich leicht zur Seite. Wenn etwas Gutes passiert ist, hüpft sie vor Freude durch den Raum, packt mich an den Schultern, schüttelt mich und sagt so was wie 'Jetzt freu dich doch auch mal!' Und ich sage ihr, dass ich mich auch freue, aber dann lacht sie nur und ich weiß, dass sie mir nicht glaubt.
Ich liebe Menschen, die so sind. Manchmal übe ich vor dem Spiegel Gesichtsausdrücke. Ich weiß ja, dass die Emotionen bei mir genauso da sind. Nur die Verbindung zu all den kleinen Muskeln, die sie nach außen tragen könnten, scheint gestört zu sein.
Am Freitag erscheint unser erster Song und er beschäftigt sich genau mit diesem Gefühl - eingesperrt zu sein in einem Körper, der nicht in der Lage ist, sein Innenleben nach außen zu transportieren. Vielleicht kennt ihr auch so jemanden und wisst es gar nicht. Vielleicht denkt ihr, sie oder er ist einfach ein unemotionaler Eisklotz. Dann könnte es sich lohnen, genauer hinzuschauen. Hinter der unbeweglichen Oberfläche könnte sich etwas Schönes verbergen.