Leos Rückkehr
Leo ist wieder da. Ihr wusstet natürlich gar nicht, dass sie weg war. Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, dass ich es nicht mehr erwähne. Manchmal ist sie da und manchmal nicht. So ist es eben.
Heute morgen, als ich runter kam, saß sie am Küchentisch. Eigentlich viel zu früh für ihren Biorhythmus. Und der Anzahl der ausgedrückten Zigaretten nach saß sie da auch schon ne Weile. Wie immer kein Wort darüber, wo sie gewesen war. Aber da war so ein Funkeln in den müden Augen. Ich ahne, was das zu bedeuten hat.
Später am Vormittag entdeckte ich ihren blonden Schopf im Kirschbaum. Der Flur, an den unsere beiden Zimmer angrenzen, mündet in einem kleinen Balkon und von dort aus kann man leicht in die Zweige hinüberklettern. Da saßen wir also beide zwischen den dunkelroten Früchten und sagten nichts. Und ein wenig später sagten wir dann doch eine ganze Menge. Ich weiß nicht, wie Leo es schafft, Leichtigkeit in Dinge zu bringen, die sich für mich so schwer und beinahe erdrückend anfühlen. Aus ihrer Sicht ist alles ganz klar: Wenn es sich für mich nicht richtig anfühlt, 'Mariupol' zu veröffentlichen, dann sollten wir es auch nicht tun. Zumindest noch nicht. Jeder einzelne von uns muss sich wohl damit fühlen und wenn das nicht so ist, arbeiten wir eben so lange daran weiter, bis alle Bedenken beseitigt sind.
Jetzt komme ich mir ziemlich dumm vor. Wie kann man nur so eine Drama Queen sein? Ich wälze Dinge endlos in meinem Kopf hin und her und irgendwann kommt mir alles so kompliziert und schicksalsschwer vor, dass eine Entscheidung unmöglich wird. Und dann kommt ausgerechnet Leo, deren Leben so voll von ganz realen und handfesten Problemen ist, und schlägt den Knoten einfach durch. Eine paar Einblicke in Leos letzte Tage konnte ich im Anschluss noch erhaschen. Ich weiß, dass es so funktioniert. Wenn ich mich öffne, kann sie es auch tun. Und umgekehrt. Aber ich musste versprechen, nicht darüber zu schreiben. Deshalb soll hier erst mal Schluß für heute sein. Ich melde mich bald wieder mit der Fortsetzung all der realen und eingebildeten Dramen aus unserem Haus.
PS: Danke an alle, die mir nach dem letzten Post Mut zugesprochen hatten, die Zweifel beiseite zu schieben. Ich hoffe, ihr habt noch ein wenig Geduld mit mir.