Missverstehen
Ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet Hans einmal einen wesentlichen Beitrag zu einem Songtext liefern würde. Ihr wisst, dass ich auf musikalischer Ebene große Stücke auf ihn halte. Aber Texte sind ihm eigentlich weitgehend egal. Dachte ich zumindest. Offenbar zu unrecht. All die Nächte, die wir uns zuletzt gemeinsam mit Gesangsaufnahmen um die Ohren gehauen haben, haben eine zarte Brücke zwischen uns geschlagen, die vorher nicht da war.
So haben wir festgestellt, dass es eine spezielle Erfahrung gibt, die wir teilen: Das Gefühl, nicht verstanden zu werden, und zwar ganz wortwörtlich. Entweder ganz banal weil man offenbar zu leise gesprochen hat - ohne es selbst zu merken. Oder - und das ist komplizierter - weil beim Gegenüber gar nicht das ankommt, was man sagen wollte, sondern etwas anderes. Das liegt nicht an den Worten selbst. Sondern an irgendetwas anderem, das über die Gesichtszüge, die Stimmfarbe und kleine Nuancen in der Sprechmelodie transportiert wird und das ich offenbar nicht unter Kontrolle habe. Und dieses Etwas lässt meine Worte in einem komplett anderen Licht erscheinen. Menschen reagieren verstimmt, wenn ich ihnen - zumindest in meiner Wahrnehmung - ein Kompliment mache. Sie fühlen sich kritisiert, wenn ich eigentlich nur eine ganz simple Feststellung machen wollte. Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass es nicht an den Anderen liegt, sondern an mir. Freundschaften sind zu Bruch gegangen nur weil ich nicht in der Lage bin, den Subtext meiner Äußerungen zu kontrollieren. Ich versuche zu lernen, damit umzugehen. Die Worte möglichst explizit und unmissverständlich machen. Lieber einmal mehr erklären, wie etwas gemeint ist. Aber es ist nach wie vor mühsam.
Auch Hans sehe ich jetzt mit anderen Augen. Wie oft war ich vor den Kopf gestoßen von seiner direkten und schroffen Art, etwas zu sagen. Nun ahne ich, dass diese Stoffeligkeit gar nicht abwertend oder arrogant gemeint ist, sondern der Unfähigkeit geschuldet, die angemessene Freundlichkeit durch Mimik und Stimmfarbe nach außen zu tragen. Und ich kenne das und weiß, wie man sich auf der anderen Seite fühlt. Es tut gut zu erfahren, dass man nicht der Einzige mit diesem Problem ist. Und es hat mir geholfen, die richtigen Worte zu finden. Die dann zumindest in musikalischer Form hoffentlich richtig verstanden werden.