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Release Tage
Hier kommt ein Geheimnis über Release Tage.
Jeden Freitag sind die sozialen Medien voll von Musikern, die sich super aufgeregt und glücklich über ihre neue Veröffentlichung zeigen. Aber die Wahrheit ist: Die meisten von uns haben panische Angst vor diesem Tag. Wir haben so viel investiert, um an diesen Punkt zu kommen. Ein Album oder auch nur eine EP zu machen ist im Grunde ein völlig wahnwitziges Unternehmen. Über Monate hat man um jeden Ton, jede Silbe, jeden Sound gerungen. Und bei unabhängigen Künstlern kommt dann noch die Promo Phase oben drauf, die locker noch einmal die selbe Menge an Zeit und Energie einfordert. Dieser Aufwand türmt im Laufe der Zeit eine monströse Erwartungshaltung auf, und diese Erwartung fokussiert sich auf diesen einen Tag. Der natürlich all diesem Druck gar nicht gerecht werden kann.
Und deshalb hassen wir Musiker Release Tage. Wir sitzen vor unseren Bildschirmen und warten darauf, dass irgendetwas Großes passiert. Dass irgendwie die Welt nicht mehr die gleiche ist wie zuvor. Dabei ist es nur ein Freitag wie jeder andere, an dem zehntausendetausende Musiker und Bands ihre neuen Werke veröffentlichen und auf irgendein Wunder hoffen in diesem erbarmungslosen Kampf um Aufmerksamkeit.
Ihr habt womöglich bemerkt, dass unser großer Release ja eigentlich schon gestern war. Und dass wir den ganzen Tag über nichts von uns haben hören lassen. Nun kennt ihr den Grund dafür. Vor Morgens bis Abends saß ich vor dem Laptop und habe versucht, einen Post für diesen vermeintlich historischen Moment zu verfassen. Habe alles immer wieder verworfen, weil es mir abwechselnd zu unbedeutend oder zu aufgeblasen vorkam. Zwischendurch die Posts all der anderen Release Künstler gesehen und mit jedem kam mir unsere EP kleiner und bedeutungsloser vor. Bis irgendwann Leo mit einer Flasche Wein winkend an meiner Tür stand. Das war die Rettung. Wir gingen ein Stück die Landstraße entlang, über eine Wiese und dann hinunter zum Bach. Alle anderen saßen dort schon, Till, Hans, Ava und auch Jin. Als es dunkel wurde, zündeten wir Teelichter an. Der Bach murmelte in seiner Geheimsprache vor sich hin und über uns hingen die Sterne wie überreife Kirschen. Bis sie wieder im aufglimmenden Sonnenlicht verblassten.
Seit gestern ist nun also unsere erste EP lɪɐxdɐloː erhältlich. Aber eben nicht NUR gestern, sondern von gestern quasi für immer. Zumindest so lange, wie irgendjemand unsere Musik hören mag. Der Release Tag ist also nur der erste Tag von einer potentiellen Ewigkeit. Und wenn man es so betrachtet lässt er sich auch ertragen.