Traumgestalten
Ich schlafe nicht gut in letzter Zeit. Immer der selbe Traum. Ich gehe runter in den Keller, öffne die Türe zum Proberaum. Dort ist es dunkel und modrig, und alle Instrumente liegen auf einem Haufen in de Ecke. Leo ist auch da und ihre Haare stehen in Flammen. Lichterloh brennen sie und die Helligkeit schmerzt in den Augen. Sie scheint davon nichts zu merken. Ich will schreien, will sie warnen. Doch da ist etwas in meinem Mund, ein großer haariger Klumpen, der keine Worte vorbei lässt. Ich kriege Panik, versuche das widerliche Ding auszuspucken, doch je verzweifelter ich kämpfe, desto größer wird es, viel zu groß um noch aus meinem Mund herauszupassen. Kurz bevor ich daran ersticke wache ich auf, würgend, keuchend und triefend nass.
Danach hab ich verständlicher Weise nicht mehr so viel Lust, wieder einzuschlafen. Letzte Nacht bin ich aufgestanden und runter in die Küche. Hab mir 'nen Tee gemacht, mich auf´s Sofa im Kaminzimmer gesetzt und versucht, irgendwie mein rasendes Herz zu beruhigen. Hat nicht wirklich geklappt. Als ich wieder nach oben wollte, hörte ich aus dem Flur, der zu Hans' und Tills Zimmern führt, wummernde Bässe und ein eigenartiges Flirren. Neugierig bin ich den Geräuschen nach. Die Tür zu Hans' Zimmer stand offen und sanft pulsierendes Licht fiel heraus auf den Flur. Hans war wohl immer noch am basteln. Wo ich schon mal da war, wollte ich ihm Hallo sagen. Mal sehen, ob vielleicht die gemeinsame Schlaflosigkeit die Kluft überbrücken kann, die sonst zwischen uns besteht.
Hans saß mit dem Rücken zu mir vor dem leuchtendem Bildschirm und wippte leicht im Takt. Ich wollte mich gerade bemerkbar machen, da fiel mir etwas sonderbares auf. War das überhaupt Hans, der da saß? Waren das nicht viel zu viele Haare auf dem Kopf und... Ohren? Zwei spitze, fellige Ohren, wie von einer Katze oder einem Luchs? Ich war so verblüfft, dass ich auf der Stelle umdrehte und schnell wegging.
Heute kommen mir die Ereignisse der Nacht ziemlich unwahrscheinlich vor. War auch das Erlebnis in Hans' Zimmer nur ein Traum? Oder hat mir mein übermüdeter und aufgewühlter Kopf einen Streich gespielt? Oder Hans eine neue, ziemlich ungewöhnliche Mütze? Heute ist er nirgends zu sehen. Schläft wahrscheinlich. Ich muss aufhören, darüber nachzugrübeln. Wahrscheinlich gibt es eine einfache Erklärung. Aber ein mulmiges Gefühl bleibt.